Ein Interview mit einem bemerkenswerten Zeitzeugen, Herbert Linge, einer Schlüsselfigur in der Geschichte von Porsche.
Als langjähriger Mitarbeiter und enger Wegbegleiter von Erwin Komenda, dem Leiter der Karosserie-Konstruktionsabteilung, gewährt uns Linge einzigartige Einblicke in die Arbeit und das Erbe von Komenda sowie in die Entwicklung des Porsche Designs.
Linge hatte eine beachtliche Karriere bei Porsche. Er begann 1947 als Auszubildender in der Werkstatt und als Werks- und Testfahrer wurde er schließlich zum Betriebsleiter des Test- und Entwicklungszentrums in Weissach.
Am 1. April 1943 trat Linge in das Unternehmen Porsche ein, das sich 1949, zurück aus dem österreichischem Gmünd, wieder an seinen Ursprung ansiedelte: Stuttgart-Zuffenhausen.
Er ist einer der wenigen Zeitzeugen, der die drei Generationen Porsche von Ferdinand Porsche, dessen Sohn und Enkelkinder, die allesamt Schlüsselpositionen im Unternehmen übernahmen, persönlich kennengelernt hat. Als Zeitzeuge bietet Linge einen persönlichen Einblick in die Atmosphäre und das Arbeitsumfeld bei Porsche zu dieser Zeit.
Im Interview erläutert Linge seine Zusammenarbeit mit Komenda und die Herausforderungen, mit denen sie bei der Entwicklung des legendären Porsche 356 konfrontiert waren. Er beschreibt die Bedeutung von Komenda als Chef der Karosseriekonstruktion und wie sich das Porsche Design unter seiner Leitung entwickelte.
Darüber hinaus teilt Linge seine Erfahrungen als Test- und Entwicklungsfahrer bei Porsche und seine Leidenschaft für den Motorsport.
Dieses Transkript bietet nicht nur wertvolle Erkenntnisse über die Arbeit von Komenda ondern auch einen faszinierenden Einblick in die persönlichen Erinnerungen und Begeisterung von Herbert Linge, einem Mann, der maßgeblich zur Erfolgsgeschichte von Porsche beigetragen hat.
Linge betont, dass er selbst hauptsächlich in der Werkstatt gearbeitet und sich weniger für organisatorische Angelegenheiten interessiert habe. Seine Erfahrungen mit Komenda und dem Porsche Design basieren daher hauptsächlich auf der Zusammenarbeit bei der Entwicklung der Fahrzeuge.
Linge berichtet, dass er im November 1949, nach der Rückkehr des Unternehmens von Gmünd nach Stuttgart, wieder bei Porsche eingestiegen ist und als erster Werkstatt-Mitarbeiter angefangen hat. Zu dieser Zeit arbeitete er eng mit Komenda zusammen, um die ersten Porsche Modelle auf Basis der Gmünd-Coupés aus Österreich zu entwickeln.
Als Testfahrer war er örtlich getrennt vom Konstruktionsbüro, da die Konstrukteure in einer anderen Halle arbeiteten. Linge hatte die Aufgabe, die geplanten Konstruktionen in Fahrtauglichkeit und Praxis zu testen.
Linge betont, dass Komenda der Chef der Karosserie Aufbauanleitung war. Er erwähnt auch andere Namen wie Klie und Schröder, die an den Karosserie- und Designarbeiten des Porsche 911 beteiligt waren.
In Bezug auf das Porsche Design und den 911 erwähnt Linge, dass die Grundtendenz der Form bereits im ersten Modell des 356 erkennbar war. Er sieht eine Kontinuität in der Designsprache von Porsche-Fahrzeugen, die von Anfang an vorhanden war. Linge erwähnt auch, dass die Diskussionen über bestimmte Designmerkmale wie Kotflügelbreite weiterhin stattfinden werden, da diese das Fahrzeug eindeutig als Porsche erkennbar machen.
Das Interview beinhaltet auch einige persönliche Einschätzungen und Beobachtungen von Linge zu verschiedenen Themen. Er erwähnt beispielsweise, dass die Probleme zwischen den Familienmitgliedern von Porsche zunahmen, als die neue Generation von Porsche und Piech in das Unternehmen eintrat. Er spricht auch über Kränkungen und Kompetenzverluste, die Komenda möglicherweise erlebt hat.
Steineck: Danke, dass sie mich empfangen.
Linge: Man hat so vieles gehört im Umfeld über die Geschichte mit dem Konstruktionschef, der Karosserie. Es ist ja in der Öffentlichkeit unterhalten worden, dass es gewisse Unstimmigkeiten gegeben hätten. Das Problem ist halt, das die Leute die damals in der Firma waren, im kleinen Kreis waren, das man da irgendwie was vernünftiges dazu sagen kann. Bei mir ist es genauso. Ich hab ja in der Werkstatt gearbeitet und dann jahrelang in Amerika Kundendienst gemacht und die Organisatorischen Dinge im Haus haben mich da nicht so interessiert, dazu kam dann der Motorsport, das war eine eigene Welt.
Steineck: Können sie sich erinnern an Herrn Komenda, wollen Sie mir etwas erzählen?
Herr Linge: Ja, natürlich. Ich hab ja im November 49 wieder angefangen bei Porsche, da war der Herr Komenda, Herr Reimspieß, die Frau Bergmeister und noch 2 Personen, bei der Firma Reutter in Stuttgart, da haben die ein Büro gehabt, haben dort angefangen und da hab ich auch als erster Werkstattmann dort angefangen und die ersten Kontakte, die da waren mit Komenda, dass er da dabei war, um mit seinen Leuten da mit dem Reutter zusammen den Porsche zu planen.
Steineck: Was war da seine Aufgabe?
Linge: Ja, gut wir hatten ja als Basis Auto, waren ja die Leichtmetall Autos da, die von Österreich gekommen sind.
Steineck: Die Gmünd Coupes?
Linge: Ja, die Gmünd Coupes und auf Basis von den haben wir die Umbauarbeiten gemacht. Vorderachse und Motorenteile umgebaut, das alles Original-Volkswagenteile waren. So immer schrittweise wieder etwas verbessert und parallel dazu wurde dann das Fahrzeug als Stahlkarrosse bei Reutter geplant
Steineck: Die Produktion?
Linge: Ja, gut, das ging es noch um Prototypen,. Das waren Prototypen, da hat ja dann eine holländische Firma und der Wendler Karosserie in Reutlingen, die haben ja alles solche Prototypen Gläser auch gemacht und die als Konkurrent praktisch zum eigenen Design in die Wege zu setzen. Aber das hat sich mehr abgespielt zwischen Vertrieb, da ging es mehr um die optische Sache als um die technische.
Steineck: Und was war der Aufgabenbereich von Komenda dabei.
Linge: Er war der Chef der Karosserieproduktion und so hab ich ihn 1949 kennengelernt.
Steineck: Können Sie sich an die Begegnung erinnern, welche Eindrücke hatten sie?
Linge: Das Problem war, dass es zu dem Zeitpunkt fast keine Zeichnungen gab, es waren Monate des Anfangs.
Steineck: Es gab keine Zeichnungen, es gab nur die Modelle?
Linge: Auch nicht, es gab keine praktisch nur Entwürfe und Skizzen auf Blättern, Reißbrett und viel mehr war nicht da. Und wie ich angefangen hab, hat der Komenda gesagt: „Was willst denn du da?“ Und ich sagte. „ja ich soll Ihnen helfen den Prototyp zu bauen“ und da sagt er: „Ja, das ist noch ein bisschen früh, wir sind noch nicht so weit, aber wir brauchen jetzt so Fusshebel als nächstes für die Sitz Attrappe“ und da sollte ich dann eine ohne Zeichnung machen. Er hat mir nur die Maße gegeben, soviel Platz ist da im Fußraum und da soll ich loslegen und das machen. So hat das alles angefangen.
Steineck: Also sie waren da von Anfang an dabei.
Linge: Ja. Ja. Das ging dann bis Januar/Februar, dann sind wir ja umgezogen nach Zuffenhausen auch auch zu Reutter wieder in die Halle und da war die Zusammenarbeit ganz schwierig, weil die Konstruktionsleute, die sind da in der Baracke gewesen und da war die Verbindung zur Werkstatt etwas kompliziert, weil das war ja doch erstens ein langer Weg war und zweitens waren wir, wenn man so will geduldet bei Reutter, weil wir ja nur Gäste bei Reutter waren und alles was ich bei denen gebraucht hab, musste ich beim Werkzeug betteln gehen und mein eigenes Werkzeug musste ich von zu Hause mitnehmen. Da war überhaupt nichts da zu dem Zeitpunkt.
Und um diese ganzen Dinge aufzuarbeiten, das war ja eigentlich meine Aufgabe. Und da hatte ich mit den Konstruktionen, die geplant waren, wenig Verbindung, solange keine Attrappen gemacht wurden, haben wir da überhaupt nichts mitbekommen. Außer dass wir wussten, dass das Auto ungefähr aussehen soll wie das Leichtmetall Coupe von Gmünd.
Steineck: Der Konstruktionsaufbau war die Komenda Geschichte sozusagen.
Linge: Ja, zu dem Zeitpunkt waren es 4 oder 5 Konstrukteure, die mit ihm zusammen gearbeitet haben.
Steineck: Und was hat Ferry Porsche damals für Aufgaben gehabt?
Linge. Ferry Porsche hat natürlich hauptsächlich einmal versucht die ganze Organisation in die Reihe zu kriegen, gemeinsam mit Reutter zusammen zu bringen, das Areal war ja von den Amerikanern noch besetzt, da war ja die US Army stationiert. Ich hab dort ja auch 2 Jahre gearbeitet, solange Porsche in Gmünd war und bin dann nach Baden Baden und hab dort in der Volkswagen und Porsche Vertretung mitgearbeitet, bis ich 49 informiert wurde, dass Porsche wieder zurück kommt.
Steineck: Hatten Sie schon vorher Kontakt mit Porsche?
Linge: Ja, ich hab 1943 die Lehre begonnen in Zuffenhausen im Werk I und hab dann 45 bei Kriegsende vorzeitig meine Gesellenprüfung gemacht.
Steineck: Waren Sie im Werk während der Bombardierung auch?
Linge: Ja, wir haben so nach Kriegsende sind wir noch mit dem Kollegen zusammen mit dem Fahrrad von Weissach nach Zuffenhausen gefahren und haben dort unsere Lehrwerkstatt, die auch getroffen wurde, alles aufgerichtet und die Maschinen in Stand gesetzt. Und die Bezahlung erfolgte damals, weil Porsche war ja noch nicht in Stuttgart, vom Amt für Besatzungsleistung hat das geheißen.
Steineck: Was haben Sie da gemacht in der Kriegszeit bei Porsche?
Linge: Die Bausätze, die Räumlichkeiten in Stand gesetzt.
Steineck: Und vor der Bombardierung?
Linge: Das war die Lehrwerkstatt und dann war eine relativ große Werkstatt für Motoren und Getriebe und was an Fahrzeugen so geplant war, dass war ja alles streng geheim. Da haben wir Außenstehende praktisch gar nichts mitbekommen. Da sind ja teilweise auch die Panzerfahrer auch gemacht worden, 1:1, das war alles abgeschottet.
Quelle: Iris Steineck - Im Schatten der Legende. Die Suche nach Komendas Erbe. Copyright 2023